Net-Raver


Patrick in deep 6/95:

Chromapark + Mayday online - Spielereien im Netz

Wenn Männer ihr Spielzeug finden, werden sie wie Kinder. Mit Hingabe, die oft einer Sucht gleicht, basteln sie an Modellflugzeugen, stellen die Weichen ihrer elektrischen Eisenbahn oder bauen an ihren Einfamilienhäusern. Die gleiche Fazination scheint etliche Verantwortliche in der Technoszene gepackt zu haben, denn mit Begeisterung geben sie Geld für eine Technologie aus, deren unmittlebarer Nutzen zur Zeit eher zweifelhaft ist. Es geht um die Modewörter "Online" und "Multimedia".

Online ist in, steht für viele fest, so auch für die Führung der Frontpage. Mit großem finanziellem Aufwand lassen sie alle Ausgaben des Blattes ins World Wide Web (WWW), einem weltweiten Informationssystem, übertragen. Fotos und Texte sowie die Dates der Silverpages können nun international abgerufen werden - doch wer tut das? Privatanwender zahlen 35-60 DM/Monat um per Computer und Modem angeschlossen zu werden, nur Studenten können das System kostenlos benutzen. Wieviele Leute die Infos ansehen ist nicht festzustellen.

Der neueste Gag der FP-Crew: Die "Mayday Online". Groß angekündigt stellte sich das Spektatkel am 1. Mai eher nüchtern dar: Hin und wieder wurden neue Bilder von Djs und Live Acts ins WWW eingespeist - Fotos, die oft den Act von hinten oder gar nicht zeigten und oft nicht vollständig waren. Die Fotos waren z.T. um Stunden veraltet, daneben waren Kurzfilme abrufbar, die jedoch von der Dateigröße her oft über 20 Minuten brauchten um von Dortmund zum Anwender übertragen zu werden.

Gleichzeitig waren in der Halle Terminals aufgebaut, an denen Mayday-Raver mit Leuten "chatten" (beliebig viele Benutzer können Texte von den anderen Benutzern lesen und selber eintippen) konnten. Zur Hauptzeit waren sogar kurzzeitig bis zu 30 Personen an den Chats beteiligt, davon 5-7 in der Halle, viele hatten aber keinen Zugang zum WWW, konnten also die Bilder und Filme nicht sehen. In den Chats ging es dann oft darum, wie "Scheiße" doch alles wäre, wo es gute Clubs gibt und ob Techno gut ist oder nicht. Die wenigen englischsprachigen Teilnehmer verschwanden schnell und übrig blieben einige Gelangweilte, einige Neugierige (darunter Oliver Lieb) sowie ein Computer der Mayday, der alle 10 Minuten "Mayday" schrieb, sowie das LineUp anzeigte und bis zum Morgen ausfiel. Dann war auch genug Platz zum raven in der Halle und der Chat schrumfte bis um 8 Uhr auf 2-5 Personen, darunter die Systembetreuer. Eine Spielerei, die man genauso ohne öffentliche Terminals haben könnte.

Mehr Mühe machte sich das Chromapark-Team Ende April mit ihren Seiten. Mit großen Grafiken wurde die Ausstellung erläutert und beworben, eine Geschichte zum selber weiterschreiben war eingebaut und einige Texte waren abrufbar. Getrübt wurde das Bild aber durch eine langsame Verbindung und sehr viel Sponsorenwerbung. Auch hier muß man sich fragen: Wer sieht sich das an? Infos über Chromapark gab es in allen Zeitschriften, so auch in deep und wer wirklich daran interessiert war ist wohl hingefahren ... aber irgendwo braucht wohl jeder sein Spielzeug. Aber wenn's Spass macht...


Zurück zur ersten Seite E-Mail an X-letter Patrick Gruban, HTML 3.0, 95/06/23