München im Mai


Chris (Blue) Mayr in deep 05/95:

Szene München

München ist eine schoene Stadt - Glaubt man dieser bekannten Aussage Warhols, so müßte sich auch in dieser verschlafenen Weltmetropole ein Ableger der wohl bekanntesten amerikanischen Fastfood-Kette befinden - und in der Tat, tut es. Aber auch neben schlabbrigen Brötchen und der größten Nierenspülanlage der Welt (u.a. bekannt als Oktoberfest) hat diese Stadt etwas zu bieten.

Shopping

Freunde des Hardwax werden ihre wahre Freude im Herzen des Altmünchner Stadtteils Schwabing, genauer gesagt in der Occamstraße, haben. Der inzwischen nach mehreren Umzügen fest ansäßige (recordstore) bietet nebst Clubwear die wohl größte Auswahl an Rave-, Trance-, Ambient-, House-, aber auch RareGroove- und HipHop/Rap-Waxx an. Kein Wunder, stehen auch Tom Novy, Felix, Dirk, Linus und Pufo hinter der Theke, die allesamt seit Jahren in München stilgebend als DJs arbeiten. Ebenfalls in der Occamstraße finden sich die Shops (neutronic) und (good stuff), welche beide eine hervoragende Auswahl an Street- und Clubwear anbieten. (neutronic) beschränkt sich nicht nur auf Clubwear, sondern auch auf entsprechende Rave-Utilitizers und einer kleinen Auswahl an Vinyl. Nachdem der (recordstore) aus alles Nähten platzte, wurde kurzerhand in der Siegesstraße ein eigener Shop für die Unmengen an CDs und Clubwear eröffnet: (paradise). Unweit davon findet sich eine alte Adresse für Club-Klamotten - (robot) -in der Leopoldstraße 69, schlichtweg DIE münchner Trendmeile. Abgefahrenes, Seltenes, aber auch Gängiges in Sachen Kleidung und Accesoires findet man im (housewears store) in der Herzog-Wilhelm-Straße. Zu der Vielzahl von Neueröffnungen reiht sich auch (pool) in der Müllerstraße ein, der ähnlich dem (neutronic) eine bunte Wundertüte aus Platten, Anziehendem und Angezogenem anbietet. So manch anziehend Anzügliches unter dem Slogan 'Mode für Mädchen' kann man im (2 Sisters) in der Klenzestraße (leider nur?) käuflich erwerben. Miteigentümer des 2Sisters, Anki Lepper, dürfte hinreichend bekannt sein: DJenne Acid Maria. Nebst üblicher Clubwear findet man hier das ein oder andere Interessante aus so mancher Designerkollektion oder gar eigener Feder der gelernten Modistin und zweiten Eigentümerhälfte des (2Sisters), Martina Forsters. Homebase der Labels Disko B und SubUp ist der (optimal), Jahnstraße 6, - die DJs Upstart und Hell sorgen hinter der Theke für die vibes. Besonders Cosmic-, Ambient- oder auch Avantgardeliebhaber kommen im (optimal) auf ihre Kosten - natürlich ist hier auch der progressive Ton zu hören. Nicht zu vergessen wäre auch (remix). Einzigartig dürfte wohl der sich in der Hohenzollernstraße befindliche Laden hinsichtlich der Clubwear sein, die er teilweise auch in einer Kinderkollektion anbietet. Kehren wir wieder zu den jazzigen Vibes zurück, so sollte auf keinen Fall Florian Keller's neuer Vinylshop in der Augustenstraße 43 vergessen werden. 'Shopping' mit bleibenderen Erinnerungen als das fast unverwüstliche HardWax kann man im Tattoo-Studio der Chaos Crew, Domagkstraße 39 oder im Piercing-Studio Cutglass, Pestalozzistraße 34, erwerben.

Clubbing

Nachdem gerade die Damen und Herren der Deep-Redaktion verlauten ließen, daß sie partout darauf bestehen, clubben gehen zu wollen, folgt hiermit also noch ein kleiner Nachtrag über das Nachtleben Münchens. Vielen ein Begriff sein dürfte der im Osten Münchens gelegene Alte Flughafen. Mit 6 Hallen, zahlreichen ChillOutRooms, 2 Biergarten und dem Club im Club - Ultraschall - dürfte dies wohl die größte und interessanteste Location sein, die München zu bieten hat. Unter der Woche für Messen genutzt (Modecircus, Club Convention), bietet sie Abends ausreichend Platz für Events (Tribal Gathering 25.ooo, RaveCity über 28.ooo Besucher). Der im alten Flughafenbereich integrierte Club Ultraschall - Base des Labels Disko B - tranciert in gefliester WaschküchenAtmo die Clubber mit progressiven und ambientalen Tönen. In eine weitere Discothek - Nachtwerk, für Rock/PopEvents DIE Adresse in München - ist der NachtwerkClub integriert, der nach Schließung der TranceLogical in der HippieLocation Pulverturm Mittwochs mit der Entrance die Clubkultur aufleben läßt. Weekends überzeugt das relaxte Ambiente mit Cosmic, RareGrooves oder Jams. Bekannt für außerordentliche HipHop-Jams hingegen sind das Backstage und das Tilt in der Helmholtzstraße, wobei vor allem das Tilt trotz der hallentypischen Atmosphere Clubflair besitzt. Zum festen Eintrag jedes Terminplaners dürften die Alabamahalle und der Tempel, beides Domagkstraße, geworden sein. In den ehemaligen Panzer-und Munitionslagerräumen der noch vor kurzem dort ansäßigen Bundeswehr finden heute großartige Rave- und Cosmic-Events statt. In der Innenstadt Münchens haben sich zwei Kulturtempel zusammengefunden: gegenüber des Deutschen Museums befindet sich auf der Praterinsel die Muffathalle mit dem gleichnamigen Cafe. Das Cafe überzeugt durch lockeres, jazziges Ambiente, die Halle hingegen konzentriert sich sehr auf avantgardistische, experimentelle Momente - nur selten finden sich dort reinrassige Grooves, die dann aber meistens aus der Küche des AcidJazz stammen. Ebenfalls sehr angenehme, coole Vibes sind desöfteren im Parkcafe, Sophienstraße, zu hören, wie auch im Taboo in der Neuturmstraße - beides ebenfalls in der City Münchens - wobei das Taboo leider versucht, eine strenge Türpolitik durchzusetzen. Schade eigentlich, denn nur selten findet sich solches Gehabe in einer sonst sehr weltoffenen, aufgeschlossenen Stadt - Luxusabschlepphallen wie das P1 oder das Skyline sind Tempel der Münchner Schickeria und können desweiten hier unerwähnt bleiben.

Toleranz und Aufgeschlossenheit gegenüber Ungewohntem, gegenüber Neuem, das ist in München glücklicherweise kein Fremdwort - das zeigt sich unter anderem auch in der Politik der Münchner Verkehsbetriebe: seit Beginn dieses Jahres fahren am Wochenende Busse und Bahnen DURCHGEHEND auf den wichtigsten Strecken in der Innenstadt. In anderen Städten vielleicht schon seit jeher nichts Neues, aber irgendwann muß immer ein Anfang sein...


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